Wissenschaftliche Einblicke in das geheime Leben der Bäume - Wie Trockenheit, Hitze und Insekten unsere Wälder stressen
Am 29. März 2022 fand das 27. Statusseminar des Kuratoriums für Forstliche Forschung am Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan statt. Am Vormittag präsentierten fünf Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler Forschungsergebnisse darüber, wie sich Trockenstress und Hitze auf verschiedene Baumarten auswirken. Am Nachmittag drehte sich alles um einen unscheinbaren Nachtfalter – den Schwammspinner. In vier Vorträgen zeigten die Referenten was passiert und was man tun kann, wenn sich Schwammspinner in Massen vermehren und durch Kahlfraß zur Gefahr für Eichenwälder werden. Wichtigstes Ziel des Statusseminars ist es neues Wissen für alle, die über die Zukunft des Waldes entscheiden, bereitzustellen. Über 350 Forstpraktiker sowie Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler nahmen an der online durchgeführten Tagung teil und diskutierten mit den Vortragenden.
Buche, Fichte und Kiefer am Rande der Existenz
Der fortschreitende Klimawandel bringt in den letzten Jahren weltweit wiederholte und langanhaltende Dürreperioden, die ein massives Sterben von Bäumen und Beständen verursachen. In einem einzigartigen Experiment wird seit mehreren Jahren untersucht, wie sich Trockenstress auf Bäume und Bestände auswirkt. Prof. Dr. Thorsten Grams von der Arbeitsgruppe Ökophysiologie der Pflanzen, der Technischen Universität München (TUM) stellte Ergebnisse eines großen Forschungsprojektes mit internationaler Beteiligung im Kranzberger Forst vor. Untersucht werden vor allem die Auswirkungen von mehrjähriger Sommertrockenheit, die Regenerationsfähigkeit der Bäume nach Aufhebung des experimentell herbeigeführten Trockenstresses, sowie die Bedeutung der Bodenmikrobiologie für die Resilienz. Bemerkenswert ist, dass das physiologische Anpassungspotenzial der Bäume bislang unterschätzt wurde und dass die Fichte von einer Mischung mit Buche profitiert.
Raschelndes Laub im Sommer – Welche Auswirkungen haben Dürresommer für die Buche?
Die Sommer in den Jahren 2018 bis 2020 waren insbesondere in Franken extrem trocken. Mit Hilfe von modernster Lasertechnologie untersucht Thomas Mathes in zahlreichen Waldbeständen auf der Fränkischen Platte und im Steigerwald, wie sich solche Dürresommer auf die Buche als Einzelbaum und als Bestand auswirken. Sein Projekt läuft an der Professur für Wald und Agroforstsysteme der Technischen Universität München (TUM), wo u.a. erforscht wird, wie die Adaptionskraft der Ökosysteme durch zielgerichtetes waldbauliches Handeln verbessert werden kann. Nachweisen konnte Mathes, dass Bäume im Unter- und Zwischenstand weniger leiden als große und dicke Bäume. Außerdem zeigten sich strukturreiche Waldbestände tendenziell resilienter als strukturarme, wobei der Effekt nur sehr schwach ausgeprägt ist.
Feldahorn, Flatterulme, Elsbeere und Hainbuche – Eine gute Alternative im Klimawandel?
Julia Schmucker, die am Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der TUM promoviert, zeigte auf Basis ihrer Untersuchungen, dass diese seltenen heimischen Baumarten im Klimawandel durchaus interessant sind. Bei richtiger Pflege und konsequenter Freistellung können sie als Mischbaumarten auch ökonomisch interessante Dimensionen und Zuwächse erreichen und helfen die negativen Folgen des Klimawandels abzumildern.
Wirkung von Trockenheit und Hitze auf Sämlinge von Buche und Eiche
Professorin Dr. Farhah Assaad vom Fachgebiet Botanik und Prof. Dr. Peter Annighöfer von der Professur für Wald- und Agroforstsysteme der TUM erforschen mit ihrem Team in zwei hochmodernen Klimakammern in Freising, wie sich Trockenheit und Hitze sowohl einzeln als auch in Kombination auf die Sämlingssterblichkeit in Rein- und Mischkulturen auswirken und konnten zeigen, dass die Eichensämlinge in vielerlei Hinsicht dem Klima mehr entgegenzusetzen haben als die kleinen Buchen.
Mimic – gegen den „Angriff der Killerinsekten“
Was nach Hollywood-Horror klingt, kann für Eichenwälder ernst werden. In einem umfangreichen Verbundprojekt arbeiten Forschende der TUM, der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft (LWF) und der Universität Würzburg an der Beantwortung der Frage, wie am besten auf die Massenvermehrungen des Schwammspinners reagiert werden sollte. Soll das Insektizid Mimic eingesetzt werden, um Kahlfraß und in Folge Absterben zu stoppen? Oder sind die Kollateralschäden höher als die vermiedenen Schäden?
Zunächst fasste Prof. Dr. Wolfgang Weisser, Lehrstuhl für Terrestrische Ökologie der TUM die wichtigsten Ergebnisse der umfangreichen Studie zusammen, bevor drei Forscher aus dem Projektteam aus Sicht des Waldschutzes, des Waldwachstums und der Ökologie die Auswirkungen verschiedener Handlungsoptionen detaillierter vorstellten. Erfreulicherweise zeigte sich, dass sowohl die Auswirkungen des Schwammspinnerbefalls auf die Eiche als auch die Auswirkungen des Insektizideinsatzes gegen den Schwammspinner geringer sind als ursprünglich angenommen.
Dr. Hannes Lemme von der LWF in Freising zeigte, wie über Fernerkundungsmethoden Schäden erkannt und Prognosen über deren Ausmaß verbessert werden können. Hierzu nutzten sie Daten des Sentinel 1 Radarsatelliten in Kombination mit Daten aus der Gelegesuche. Auf dieser Basis wurden die voraussichtliche Dichte der Schwammspinnerpopulation und die daraus zu erwartenden Schäden durch Entlaubung vorhergesagt. Alles mit dem Ziel besser entscheiden zu können, ob Insektizide eingesetzt werden sollen oder nicht.
Dr. Torben Hilmers vom Lehrstuhl für Waldwachstumskunde der TUM beantwortete die Frage: Wie wirkt sich ein Schwammspinnerbefall auf das Wachstum und Überleben von Eichen aus? Hilmers stellte fest, dass das Wachstum von Eichen nach Kahlfraß um 40 bis 60 Prozent geringer als bei Vergleichsbäumen ist. Abhängig von der Stärke der Entlaubung im Jahr der Kalamität, aber spätestens zwei Jahre danach war kein Effekt der Entlaubung mehr auf das Wachstum nachweisbar. Besonders schwierig ist die Feststellung der durch die Massenvermehrung des Schwammspinners verursachte Mortalität der Eichen. Mit zunehmender Entlaubung stieg die Absterbewahrscheinlichkeit von dickeren, älteren Bäumen, während sie bei dünneren, jüngeren sank. Allerdings konnte im Rahmen des Projekts nicht untersucht werden, welche Effekte bei einer wiederholten Entlaubung durch den Schwammspinner auftreten, da während der Projektlaufzeit kein zweiter Kahlfraß stattfand.
Auswirkungen von Schwammspinnergradation und Mimic-Bekämpfung auf Nachtschmetterlinge, Parasitoide, Vögel und Fledermäuse
„Eichenwälder sind Hotspots der Biodiversität“, betonte Prof. Dr. Jörg Müller von der Julius-Maximilians-Universität Würzburg. Er konnte auf Basis seiner wissenschaftlichen Forschung folgende Fragen beantworten: Welche Kollateralschäden hat der Insektizideinsatz gegen die Schwammspinner? Welche Arten sind Gewinner, welche Verlierer und wie lange dauern die Effekte an? So konnte beispielsweise nachgewiesen werden, dass die Nachtschmetterlingsdiversität durch Bekämpfung mit Mimic in den Eichenkronen bei kleinflächiger Behandlung über drei Jahre nicht zurückgeht. Zweitbruten bei Kohlmeise und Blaumeise wurden zwar durch die Bekämpfung beeinträchtigt, die Vogelgemeinschaften wurden aber nicht verändert. Auch bei den Fledermäusen, die über mehrere Jahre mit Batcordern erfasst wurden, zeigte sich, dass die Reduktion der Biomasse der Nachtschmetterlinge durch die Bekämpfung ohne Auswirkungen auf die Fledermäuse blieb.
Nach jedem Vortrag und am Ende der Veranstaltung standen die Vortragenden den Teilnehmerinnen und Teilnehmern für Fragen und Diskussion zur Verfügung.
Finanziert wurden die Forschungsprojekte vom Bayerischen Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Das Kuratorium für Forstliche Forschung berät über die Förderung der eingereichten Projektanträge.
Die vorgestellten Projekte wurden überwiegend bei den drei Partnern im Zentrum Wald-Forst-Holz Weihenstephan durchgeführt, der Technischen Universität München, der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf und der Bayerischen Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft.
Bildunterschrift:
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Forscherinnen und Forscher der TU München setzten Eichen- und Buchensämlinge in Klimakammern gezielt unter Trockenstress und Hitzeeinwirkung. Foto: Farhah Assaad, TUM