5 Fragen zum Thema Bioökonomie an Prof. Dr. Klaus Richter
Prof. Dr. Klaus Richter, Leiter der Holzforschung München, ist Mitglied im Sachverständigenrat für Bioökonomie Bayern und hat der Cluster-Initiative Forst und Holz in Bayern Fragen zur Zukunft dieser Technologie beantwortet.
Herr Prof. Richter, was kann man sich unter dem – zunächst sehr allgemeinen – Schlagwort Bioökonomie vorstellen?
Das Konzept der Bioökonomie bildet den Rahmen für einen wirtschaftlichen Strukturwandel, der auf der nachhaltigen Erzeugung und Verwertung biogener Rohstoffe basiert. Ihr Ziel ist die schrittweise Ersetzung endlicher, fossiler Rohstoffe durch biologische und damit erneuerbare Ressourcen. Durch die vermehrte und verbesserte Nutzung biologischer Ressourcen mit einer intelligenten, wissensbasierten Erzeugung von Produkten und deren Kreislaufführung stützt sich die Bioökonomie einerseits eng auf technisch-ökonomische und innovationsgetragene Prozesse und Leitlinien. Hier liegt die Betonung auf „Ökonomie“ als Programm der konsequenten wirtschaftlichen Nutzung der natürlichen Ressourcen. Es wächst aber andererseits zunehmend die Erkenntnis, dass gleichrangig auch die Vorsilbe „Bio“ als Synonym für eine Ökologisierung der Ökonomien unmissverständlich beachtet und gefördert werden muss. Nur dann wird die Entwicklung und Umsetzung nachhaltiger und biobasierter Wirtschafts- und Lebensweisen gelingen, und nur dann werden biogene Ressourcen sowie die Entwicklung und Vernetzung des Wissens über ihre Bewirtschaftung und Nutzung einen wesentlichen Beitrag zur zukunftsfähigen wirtschaftlichen Entwicklung leisten. Bioökonomie muss somit auch Ökosysteme schützen, ländliche und urbane Lebensräume verantwortungsvoll nutzen und gestalten, um eine nachhaltige und klimaneutrale Gesellschaft zu erreichen. Damit wird deutlich, dass nicht nur Wissenschaft, Wirtschaft und Politik in den Entwicklungspfad eingebunden sind, sondern auch die Gesellschaft, wir als Bürger, wir als Konsumenten, wir als Erziehende.
Welche Bio-Technologien werden derzeit angewendet und welche Produkte kennen wir?
Die Fokussierung auf biotechnologische Prozesse und daraus hergestellte Zwischen- und Endprodukte im Zusammenhang mit dem Transformationsprozess zur Bioökonomie greift zu kurz. Es muss in der Öffentlichkeitsarbeit und allgemeinen Wahrnehmung deutlich werden, dass die nachhaltig betriebene Urproduktion, also die Land-, Forst- und Fischereiwirtschaft die Ausgangsstoffe für die Bioökonomie liefern, und dass deren Verarbeitung, Nutzung und Bewirtschaftung ebenfalls nachhaltig und ethisch korrekt erfolgen muss, damit sich die Ziele der Bioökonomie erreichen lassen. Daher sind auch die etablierten Prozesse der Holzbe- und -verarbeitung einschließlich der Papier- und Zellstoffproduktion Technologien einer forstbasierten Bioökonomie, die es aber weiter zu verbessern und zu optimieren gilt. Denn eine zentrale Herausforderung der Bioökonomie wird sein, die Effizienzen der immer auch begrenzten biologischen Ressourcen über deren Lebenszyklus betrachtet verantwortungsvoll zu verbessern. Und hier kommen u.a. innovative Biotechnologie- und Bioraffinerieverfahren ins Spiel, mit denen aus den verfügbaren stofflichen Pflanzenressourcen ein breites Spektrum an Mehrwertträgern (u.a. Biopolymere, Phytochemikalien, Sekundärmetabolite, pflanzliche Enzyme, technische Fasern) für neue Anwendungsbereiche erschlossen werden.
Welche besondere Rolle kann Holz in diesem Kontext spielen?
Die Forstwirtschaft ist neben der Agrarwirtschaft der wichtigste Wirtschaftszweig, der Rohstoffe für die Bioökonomie bereitstellt. Während die Landwirtschaft primär der Nahrungsmittelproduktion dient, kann der Hauptrohstoff der produktiven Forstwirtschaft vollständig im Sinne der Bioökonomie verwertet werden. Die klassischen Produkte auf Basis von Massivholz, Holzwerkstoffen und Zellstoff werden auch weiterhin den größten Beitrag des Holzsektors zur Bioökonomie leisten, und in der konstruktiven, langfristigen Bauanwendung von Holz wird bekanntlich der größte Effekt der Treibhausgasreduktion aus unserem Sektor erzielt. Insbesondere weil die Basisprozesse der nationalen Forst- und Holzwirtschaft schon heute weitgehend den Vorgaben der Nachhaltigkeit entsprechen, sind der Rohstoff Holz und seine Verarbeitungsprozesse prädestinierte Basiselemente für den notwendigen weiteren Ausbau der Bioökonomie. Zentrale Herausforderung wird sein, Menge und Qualität des Rohstoffes für bisherige und künftige Verwendungen nachhaltig zu erweitern, durch intelligente Innovationen entlang der Bereitstellungs- und Nutzungsketten, Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit und ausdrücklich auch Berücksichtigung aller anderen Ansprüche, die an den Produktionsstandort Wald gestellt werden.
Wie sieht es mit der Verfügbarkeit und der Verwendbarkeit aus?
Kurz- bis mittelfristig lassen die hohen Vorräte in den deutschen und insbesondere auch den bayerischen Wäldern höhere Nutzungsmengen auch unter Nachhaltigkeitsgesichtspunkten zu. Weitere Maßnahmen zu einer moderaten Ausweitung der Flächen zur Holzproduktion (Hochwald, Kurzumtriebsplantagen) sind denkbar und zu prüfen. Durch die Verringerung des Nutzungsalters, eine angepasste Baumartenzusammensetzung und die Verwendung von qualitätsgesichertem Vermehrungsgut könnte die Holzproduktion mittelfristig ebenfalls gesteigert werden. Ein erhebliches Potenzial wird durch eine höhere Materialnutzungseffizienz, d.h. die Schaffung von mehr Produktnutzen pro Einheit Rohstoff erreichbar. Durch Forschung und Entwicklung kann die Umwandlung von lignocellulosischer Biomasse in wertvolle Stoffgruppen, einschließlich auch aus Gebrauchtholz, in biochemischen, chemischen, thermochemischen und biotechnologischen Prozessen technisch und ökonomisch gefördert werden. Holz, dass bereits in den Zivilisationskreislauf überführt wurde, muss insgesamt als wertvolle Sekundärressource erkannt, bewirtschaftet und genutzt werden (Kaskadennutzung). Dies bedarf umfassender Anpassungen auch bei den Primärnutzungen, z.B. um die spätere Kreislaufführung zu ermöglichen.
Die Holzforschung München, die Studienfakultät für Forstwissenschaft und Ressourcenmanagement und das Zentrum Wald-Forst-Holz in Freising sind wichtige Elemente staatlich gestützter Forschung und Lehre in der holzbasierten Bioökonomie. Welche Schwerpunkte werden dort derzeit gesetzt und wie sehen Sie die Zukunft der Institutionen?
Die drei genannten Institutionen sind durch die gesteigerten gesellschaftlichen und politischen Erwartungen an den Sektor Forst und Holz in hohem Maße gefordert. Lehr- und Ausbildungsmodule werden aktuell erweitert, um die bereichsübergreifenden Zusammenhänge einer Bioökonomie aufzuzeigen. Dazu dient u.a. auch eine Ringvorlesung, die von den Partnern des TUM.wood Netzwerks konzipiert und abgehalten wird. Hier wird gezielt auf die Gesamtzusammenhänge des Ressourcenmanagements von Holz eingegangen, und mehr als 250 eingeschriebene Studenten aus München, Freising und Straubing belegen, dass der Nachwuchs an diesen Themen sehr interessiert ist. In der Forschung untersuchen wir vermehrt die Kaskadennutzung und die Prozesse des mikro- und molekularbiologischen Holzabbaus, um aus dem Wissen bioökonomischen Mehrwert generieren zu können. Aber auch die stofflichen Verwertungsoptionen der Laubhölzer sind weiterhin wichtige Forschungsthemen.Die notwendige Transformation der bayerischen Wald- und Holzwirtschaft vor den aufgezeigten bioökonomischen Herausforderungen bedarf der Evidenzbasis durch langfristig angelegte und koordinierte Forschungs- und Lehrkonzepte. Dazu ist es unerlässlich, dass sich die TUM am Campus in Weihenstephan zur inhaltlich angepassten Kontinuität der zentralen forst- und holzwissenschaftlichen Professuren bekennt.